Wand und Wandern – keine zwei Paar Stiefel


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Glatte Wände und gerade Wege kontraproduktiv

Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern. Immer an der Wand, an der Wand entlang. Eigenartig, beide Wörter beziehen sich auf denselben Ursprung, das Gewundene, das Geflochtene, wenden, winden, wiederholt wenden. Mauern, Wände waren ursprünglich aus geflochtenen Ästen, und das Wandern bezieht sich auf wiederholt wenden, später verändert zu hin und her gehen.

Wandern, nicht nur immer mal wieder eine neu zu entdeckende Freizeitbeschäftigung, sondern auch immer mal wieder eine notwendige Bedingung für einen Teil unserer Vorfahren. Entweder wegen jahreszeitlicher Unbill oder ganz simpel aufgrund von hygienischen Situationen und ach ja auch, weil die Lebensbedingungen sich drastisch verändert haben, Verfolgung, Naturkatastrophen. Im Laufe von Jahrtausenden sind Straßen entstanden, auf denen Waren transportiert wurden, zwecks Austausch mit anderen Produkten. Seidenstraße, Gewürzstraße.

Und natürlich wurden einige dieser Straßen ausgebaut, damit man schneller vorwärts kam, besonders dann, wenn es um kriegerische Transportwege ging. Der Handel zwischen den Völkern konnte erst stattfinden, wenn durch Wanderungen Waren gefunden wurden, die in einem anderen Gebiet nicht vorhanden waren. Kein Handel ohne Ware, kein Austausch ohne Erkenntnisse über andere Produkte. Wer also immer nur an einem Platz blieb, konnte auch nicht Neues entdecken.

Nicht nur vor langer Zeit wurden Äste, entweder mit Laub oder Lehm bedeckt und gefüllt, sondern auch bis ins Jetzt hinein, wenn Menschen wieder natürliche Baustoffe entdecken. Die Hütten aus Ästen schützten nicht nur vor Tieren, sondern sie trotzten auch den Wettereinflüssen. Beim Restaurieren alter Fachwerkhäuser sind die mit Ästen verbundenen Flächen an Decken und Wänden als Verbundmittel gut zu sehen.

Nun sind aus den Ästen, Mauern, Wände mit Stein und Beton geworden, unsere Straßen sind geteert und über die Autobahnen läßt es sich kilometerweit geradeaus fahren. Somit sind nicht nur die Wanderungen, sondern auch die Wände nicht mehr gewunden. Eigentlich eine Bereicherung, denn wir können durch die kurzen Wege schneller von einem Ort zum anderen, und die Wände müssen nicht immer wieder erneuert werden. Wirklich eine Bereicherung?

Gerade Linien, gerade Wände, irgendwie auf Dauer wirkt das steril, unvollkommen. Viele unserer Straßen der Städte wirken seelenlos. Manche versuchen, mit bunten Bemalungen der Tristesse zu entgehen. Gerade Straßen lassen uns unaufmerksam werden und ermüden. Genauso verhält es sich mit den Fassaden der Häuser, je rechteckiger, ohne Verzierungen, desto weniger nehmen wir die Kolosse, die teilweise in den Himmel ragen, wahr.

Inzwischen gibt es viele interessante Erneuerungen alter Kenntnisse, sei es, daß Straßen durch große Tröge, durch Blumenrabatte mehr Windungen bekommen. Ebenso wird verstärkt beim Bauen neuer Häuser nicht nur auf alte Materialen zurückgegriffen, sondern auch das Eckige verschwindet.

So sollten wir uns ebenso besinnen, daß nicht gerade Wege und glatte Wände uns zu einem erfüllten Leben führen, sondern gewundene Wege unsere Lebenswanderschaft bereichern und unsere Herzen nicht aus Betonwänden bestehen, durch die keine neuen Gedanken mehr zirkulieren.

Doris Mock-Kamm

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