Das HB-Männchen allemal
Wer wird denn gleich in die Luft gehen! Nein, es sind nicht Mama und Papa, die ihren ersten Urlaub ganz weit weg, ohne ihre fast erwachsenen Kinder, nervös und mit den letzten Verhaltenserklärungen ihnen nochmals eindringlich liebevoll aufsagen, was sie zu beachten haben, um gleich mit dem Flieger in die Lüfte zu steigen. Es ist das HB-Männchen, das regelmäßig nicht nur über den Bildschirm suggerierte, alles wird und ist gut, wenn ein tiefer Zug an der Zigarette den Ärgernispegel runterstuft.
Die Werbung hätte sicher auch mit einem anderen Produkt, Kaffee, Tee, Schokolade, Alkohol, homöopathischem Beruhigungsmittel den Effekt erzielt, in aller Munde zu sein. Der Erfolg dieser Reklame lag im Wiedererkennen eines Menschen, entweder in der nächsten Umgebung oder in der Nachbarschaft, an dem Arbeitsplatz. Es waren die kleinen Alltagsszenen, die Widrigkeiten des Lebens, vermischt mit Tollpatschigkeit, ergibt Slapstick, Situationskomik.
Fast alles, das uns zum Schmunzeln und Lachen bringt, erreicht unser Gemüt mit dem Erfolg, meistens, zum Verzeihen und Nachsehen. Jeder kennt selbst seine Grenzen, setzen wir das einfach mal voraus, bis der Geduldsfaden reißt und wir aus Wut, Enttäuschung, Verzweiflung selbst in Schimpftiraden verfallen. Gemeinhin sagt man, stille Wässerchen sind tief, gleichbedeutend, wenn der oder die mal loslegt, dann ist Land unter. Menschen, die sich wenig äußern, eher zurückhaltend sind, können, müssen aber nicht, wenn sie sich angegriffen fühlen, mit Wutausbrüchen aufwarten, die schockierend wirken. Einerseits, weil man es von so ruhigen, gelassenen Menschen nicht gewohnt ist, andererseits, weil diese Ausbrüche unerwartet kommen.
Choleriker, reizbare Menschen, also Menschen, die sehr schnell ihre Fassung verlieren, erzeugen, wenn man diesen Ausfällen öfters ausgesetzt war, eher vom Gegenüber eine starre Haltung. Die zuweilen dazu führt, ist man oft diesem Wüten ausgesetzt, eine Wut nach innen, das kann dazu führen, daß diese Menschen sich gefühlskalt geben, werden und sind.
Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Hier gilt natürlich, jedem Tierchen sein Plaisierchen. Aber mal ganz ehrlich, sind Ihnen nicht auch die Menschen lieber, die im täglichen Geschehen immer mal wieder kleinere Wutanfälle bekommen als diejenigen, die mit einer permanenten unterdrückten Gereiztheit durchs Leben gehen und ihre Wutanfälle nicht berechenbar sind?
Es mag vielleicht auch an gewißen Sternkonstellationen liegen, aber der Eindruck und immer öfter auch die Tatsachen bestätigen, daß viele Menschen zurzeit mit Wut im Bauch hausieren gehen. Es scheint zuweilen, wie ein Virus zu sein, und wer nicht mit wütend ist, wird als „Gutmensch“, als bezahlter Lobbyist, als Verblendeter, ja sogar als Faschist bezeichnet. Wer versucht, demokratische Grundregeln einzuhalten, wird von vornherein mit einem selbstgefälligen Diktat belegt.
Selbst Menschen, die ansonsten die glattgespülten Manager- Bankentypen mit Skepsis beäugten, die sektenartige Verhaltensmuster ablehnten, springen reihenweise auf den Zug der völkischen Argumente. Sie belächeln nicht mal mehr die künstlich gestellten Photos von harmonischen Familien, mit in Anzug und Kostüm gedresste Modells, die für die neue Arbeitswelt zufrieden in die Kameras blicken.
Sie ignorieren die Wegnahme der künstlerischen Freiheit, den Zwang zum idyllischen Familienzusammenhalt (reine Fiktion), Reduzierungen im sozialen Bereich, die Lockerung des Waffengesetzes, Streichung der Erbschaftssteuer, ein kleiner Einblick in die Zukunft und das fast nur aus dem Grund, daß zu viele Ausländer sich auf Kosten der Bürger bereichern würden.
Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Das HB-Männchen allemal.
Doris Mock-Kamm