Kuschen wir aus einem Gefühl der Machtlosigkeit?
Wer sehnt sich nicht immer mal wieder nach einem Ruhekissen? Ein mit flauschigem Material gefülltes zusammengenähtes Stück Stoff, das man entweder fest an den Bauch drücken oder an dem man seinen Kopf anlehnen kann. Es gibt auch Menschen, die wir, wenn sie die Fähigkeit besitzen, uns zuzuhören und Trost spenden können, gerne mal mit „mein Ruhekissen“ titulieren.
Erstaunt es Sie, daß das Kissen aus mittelhochdeutsch küssen, küssī(n), althochdeutsch kussī(n), altfranzösisch coissin, cussin, über ein galloromanisches Substantiv mit der Bedeutung „Sitzkissen, Kissen für die Hüfte“ zu lateinisch coxa Hüfte (lt. Duden) abgeleitet ist?
Wir kuscheln nicht nur gerne zur Winterszeit, wenn die Kälte und der triste Himmel uns nach Wärme und Geborgenheit sehnen läßt. Beim Fernseh- oder Filmabend, bequem vom Sofa aus genießend, legen wir den Kopf gerne auf das Kissen oder gleich auf mehrere. Der ein oder andere besitzt sicher sein Lieblingskissen als Erinnerung, da ein Geschenk von einem lieben Menschen, weil die Form und Farbe dafür sorgt, sich wohl zu fühlen, das Material eine beruhigende Wirkung hat. (Kräuterkissen)
Kuscheln, anschmiegen, Nähe spüren, ein fast intimer Moment, den wir ansonsten nur mit einem Menschen teilen, der uns sehr nahe steht, den wir lieben. Für alle Eltern eine unabdingbare Erfahrung, wenn das Kind den Abschiedskuß verweigert, da es ihm unangenehm, wenn Klassenkameraden sehen könnten, daß seine Eltern noch mit ihm kuscheln. Wie peinlich! Für diese Zeit der Abwendung des Kindes von den Kuscheleinheiten der Eltern gibt es keine direkte Altersangabe, denn die Entwicklungen der Kinder sind nicht regelkonform. Das Kind zeigt dadurch erste Selbstsicherheit und Selbständigkeit an.
Kuscheln ist eine Ableitung von dem Wort kuschen, das gleichbedeutend ist mit parieren, gehorchen. Wir kuschen aus dem Gefühl der Machtlosigkeit, Ohnmacht. Kusch! Ein Befehl der gegenüber Hunden ausgesprochen wird, manchmal auch gegenüber Kindern oder vermeintlich Unterlegenen. Es ist von dem französischen Befehlswort couche, leg dich, entnommen.
Wenn wir also mit dem Kissen kuscheln, uns anschmiegen, geben wir uns einer Machtlosigkeit hin? Irgendwie schon, oder? Denn jeder braucht ab und zu eine Auszeit der stetigen Aufmerksamkeit, des Aufpassens. Einen Platz der Sicherheit, der Geborgenheit. Wenn dieser Platz nicht nur das Sofa mit den Kissen ist, vielmehr ein Partner, dann sind die Küsse (Kissen) nicht Machtlosigkeit, sondern gegenseitiges Vertrauen.
Bleibt zu wünschen, daß viele Menschen in ihrem Leben genügend Kissen in ihrer Nähe haben, bei und vor allem, mit denen sie in Geborgenheit kuscheln können.
Doris Mock-Kamm
Oh ja – ich habe gerade viele davon. ☺
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